LangBiografie
Dr. Hans John
31.08.1911 – 23.04.1945
31.08.1911 – 23.04.1945
In den letzten Jahren der Weimarer Republik hatte sich der gebürtige Treysaer als Schüler des damaligen Staatlichen Realgymnasiums am hiesigen Luisenplatz und anschließend als Student an der Frankfurter Goethe-Universität zunehmend radikalisiert. War er zunächst noch der Sozialdemokratie zugetan gewesen, so hatte er sich schon bald von der winzigen Wiesbadener Ortsbörse der Freien Arbeiter-Union Deutschlands (Anarcho-Syndikalisten) angezogen gefühlt. Anschließend begeisterte er sich eine Zeit lang für die 1931 gegründete Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands, die hierorts ebenfalls nur über einen recht kleinen Stützpunkt verfügte. Zudem engagierte er sich im Rahmen der von der Wiesbadener KPD 1929 initiierten, wohl lediglich zehnköpfigen Ortsgruppe des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller.
Aus Enttäuschung ob des Unvermögens sämtlicher Organisationen der Arbeiterschaft zu einem wirklich wirkungsvollen Widerstand gegen die Machtübertragung an Hitler und dessen zielstrebige Errichtung der NS-Diktatur im Frühjahr 1933 stellte Hans John jedwede politische Aktivität ein. Fortan konzentrierte er sich auf sein Studium, das er 1938 mit der Großen juristischen Staatsprüfung sowie im Jahr darauf mit der Promotion abschloss.
Doch sein Interesse für politische Belange war mitnichten zur Gänze erloschen. Spätestens 1939 flammte es wieder auf, weshalb er nun, vorübergehend als wissenschaftlicher Assistent an der Universität in Leipzig tätig, des Öfteren nach Berlin fuhr, um sich dort von seinem in der Rechtsabteilung der Deutschen Lufthansa AG als Syndikus beschäftigten Bruder Dr. Otto John über die politische Lage und den jeweiligen Entwicklungsstand der oppositionellen Bestrebungen in Kenntnis setzen zu lassen. Otto John verfügte nämlich längst über konspirative Kontakte zu mehreren militärischen und zivilen NS-Gegnern, die bereits zu jener Zeit einen Umsturz intendierten. Sein ihm zeitlebens aufs Engste verbundener, zwei Jahre jüngerer Bruder Hans, der auf seine Vermittlung hin seit dem 1. August 1939 als wissenschaftlicher Assistent beim Institut für Luftrecht an der Berliner Universität angestellt war, ist von Otto John auch weiterhin selbst in streng vertrauliche Sachverhalte jener jetzt stetig wachsenden Widerstandsbewegung eingeweiht worden. Diese strebte zunächst die Errichtung einer nichtnazistischen Militärdiktatur an und danach die eines autoritären Staatswesens, beabsichtigte dann aber letztendlich doch die erneute Begründung eines parlamentarischen Herrschaftssystems.
So ist Hans John gewiss auch über das von seinem Bruder zusammen mit dem früheren SPD-Politiker und Merseburger Regierungspräsidenten Ernst von Harnack im Oktober 1939 verfasste, knapp vierseitige Memorandum unterrichtet worden, mit dem die Militärs über die tatsächliche Stimmung in der Bevölkerung aufgeklärt und zum Sturz des Verbrecherregimes aufgerufen werden sollten. Dabei haben sich einige maßgebende konservative, liberale und sozialdemokratische Oppositionelle zur Bildung einer gemeinsamen Anti-Nazi-Front unter Führung von Generaloberst a. D. Ludwig Beck bereit erklärt. Hierzu gehörten etwa der einstmals entschieden deutschnational positionierte frühere Leipziger Oberbürgermeister Dr. Carl Goerdeler, der langjährige Reichstagsabgeordnete der SPD Dr. Julius Leber, der vormalige SPD-Innenminister des Volksstaates Hessen Wilhelm Leuschner sowie der einstige führende Funktionär des Zentrums und kurzzeitige Reichstagsabgeordnete Jakob Kaiser. Die letzteren beiden, vordem schon außerdem überaus couragierte Spitzengewerkschafter, führten inzwischen die reichsweiten Untergrundnetzwerke sozialdemokratischer und christlicher Gewerkschafter an, durch welche eine Verwurzelung der geplanten Umsturzregierung in möglichst großen Bereichen der deutschen Bevölkerung gewährleistet werden sollte.
Im Juni 1940 wurde Hans John zur Wehrmacht eingezogen und dann an der Ostfront eingesetzt. Dadurch brach der rege politische Gedankenaustausch mit seinem Bruder vorerst wieder ab. Im März 1942 erlitt er einen Kopfschuss, einen Lungensteckschuss sowie einen Schulterdurchschuss, was zur linksseitigen Lähmung führte und 1943 die Entlassung des Unteroffiziers wegen Wehruntauglichkeit zur Folge hatte. Zurückgekehrt nach Berlin, wo er mit seinem Bruder zusammenwohnte, widmete sich Hans John von Neuem seiner wissenschaftlichen Tätigkeit am Institut für Luftrecht. Dessen Leiter Prof. Dr. Rüdiger Schleicher ließ den nun sicherlich nicht mehr so stark wie ehedem prokommunistisch Positionierten außerdem eine recht rege Reiseaktivität entfalten, um den Kontakt mit gleichgesinnten NS-Gegnern anderenorts aufzunehmen, zu reaktivieren oder zu festigen.
Noch dazu wurde Hans John von seinem Bruder und dem mit diesem befreundeten Hauptmann Ludwig Gehre vom Amt Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht fortlaufend instruiert, wenn sich weitere oppositionell eingestellte höhere Offiziere ebenso wie immer mehr aufgrund ihrer Vorkenntnisse für die erhoffte alsbaldige antinazistisch-demokratische Reorganisation in Frage kommende Zivilisten von der Notwendigkeit ihrer Beteiligung an den Untergrundaktivitäten zur möglichst raschen Beseitigung der faschistischen Reichsführung hatten überzeugen lassen. Ende 1943 nahm Hans John sogar teil an einem Treffen des unermüdlichen Netzwerkers und Ideengebers jener militärisch-zivil kombinierten Konspiration, des von den Verschwörern als künftiger Reichskanzler vorgesehenen Dr. Carl Goerdeler mit dem ebenfalls seit Jahren schon widerständigen Chefsyndikus der Deutschen Lufthansa AG Dr. Klaus Bonhoeffer, mit Hauptmann Gehre und Otto John, die hierbei ihr Umsturzvorhaben detailliert erörterten.
Im März 1944 wurde der gleichermaßen bereits seit Längerem an Attentats- bzw. Aufstandsplänen beteiligte Gehre verhaftet, konnte aber während eines Gefangenentransports der Gestapo noch einmal entkommen. Nun oblag es vor allem Hans John, dessen Bruder seit 1942 für die Lufthansa und zugleich für die Widerständler als Mitarbeiter der Abwehr u. a. in Madrid tätig war, den Untergetauchten nicht zuletzt durch die Beschaffung ständig wechselnder Quartiere auch bei anderen NS-Gegnern zu unterstützen.
Am 17. Juli 1944 nahm Hans John sodann teil an einer bei sich zu Hause durchgeführten Unterredung zwischen Dr. Klaus Bonhoeffer und Oberleutnant Werner von Haeften, dem Ordonnanzoffizier von Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg. Am späten Abend des 20. Juli kamen die beiden Brüder abermals in ihrer Wohnung mit Klaus Bonhoeffer sowie einer mit Otto John befreundeten Nachbarin zusammen, wobei sie entgegen den anders lautenden Rundfunkmeldungen noch eine ganze Weile vom Gelingen des Attentats auf Hitler überzeugt blieben. Irrtümlicherweise feierten sie dies dort mit Sekt und Spirituosen sogar bis zum frühen Morgen des Folgetages. Als Klaus Bonhoeffer erst am Nachmittag des 21. Juli 1944 das Misslingen des Anschlags auf Hitler und der hieran gekoppelten Militäraktion realisierte, traf er sich umgehend nochmals mit den Brüdern John, um zu beratschlagen, wie sie sich bei der ihnen nun unbezweifelbar drohenden Verhaftung und den nachfolgenden Verhören am klügsten verhalten sollten. Auch an mehreren weiteren diesbezüglichen Besprechungen war Dr. Hans John in den nächsten Tagen beteiligt.
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Am 17. August 1944 ist er festgenommen worden. Anschließend wurde er fortgesetzt vernommen und dabei brutal gefoltert. Am 2. Februar 1945 wurde er vom so genannten Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Zusammen mit einigen anderen Widerständlern, darunter auch Klaus Bonhoeffer und Rüdiger Schleicher, ist Dr. Hans John in der Nacht zum 23. April jenes Jahres von einem Exekutionskommando des Reichssicherheitshauptamtes unweit des Berliner Zellengefängnisses Lehrter Straße 3 hinterrücks erschossen worden. Seinem Bruder Dr. Otto John war dagegen am 24. Juli 1944 die Flucht nach Spanien und etwas später von dort über Portugal nach Großbritannien geglückt.
Dr. Axel Ulrich
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Hans John
Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin
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Die beiden Jurastudenten Otto und Hans John (r.)
Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin
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Hans John
Stadtarchiv Wiesbaden, NL 75, Nr. 2970
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Hans John
Stadtarchiv Wiesbaden, NL 75, Nr. 2970
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